Am 25. Februar 1992 wurde unsere Mitbürgerin Blanka Zmigrod im Frankfurter Kettenhofweg von einem Rechtsterroristen ermordet. Sie war an besagtem Tag auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, als sie aus dem Hinterhalt von dem Rechtsterroristen John Ausonius mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe getötet wurde.⁽¹⁾ Wie so oft zuvor floh der Mörder nach der Tat auf einem Fahrrad. Die damals 68-Jährige Blanka Zmigrod war kein zufälliges Opfer. Zu dieser Zeit hielt Ausonius, der mit bürgerlichem Namen auch Wolfgang Alexander John Zaugg bzw. John W. A. Stannerman heißt, sich im Rhein-Main Gebiet auf, um sich der polizeilichen Fahndung in Schweden zu entziehen, da er dort bereits aus rassistischen Motiven heraus elf Anschläge auf Menschen verübt hatte. Dabei starb der damals 34-Jährige Student Jimmy Ranjiba.
Der Mörder beschuldigte die Holocaustüberlebende Blanka Zmigrod, auf deren Unterarm ihre KZ-Häftlingsnummer deutlich sichtbar war, einige Tage vor dem Mord, ihm seinen persönlichen tragbaren Casio Taschencomputer entwendet zu haben. Zu vermuten ist, dass Ausonius auf diesem Computer seine Kontakte und weitere wichtige Informationen zu seinen Taten und wer ihn dabei unterstützte gespeichert hatte. Er bezichtigte sie zehn Tage vor dem Mord des Diebstahls bei einem Anruf an ihrer Arbeitsstelle, dem Restaurant Mövenpick. Außerdem beleidigte Ausonius Zmigrod und eine ihrer Kolleginnen rassistisch, nachdem er ihr Namensschild gelesen hatte. Laut ihm hätten sie und ihre Kollegin unter einer Decke gesteckt, da sie beide “aus dem Osten” stammten.
Seinen Mord an ihr beging er also vermutlich, um die Aufdeckung seiner bisherigen Taten zu verhindern bzw. weiter morden zu können. Unklar bleibt, ob Blanka Zmigrods jüdischer Glaube auch als Motivation für seinen Mord diente. Die Staatsanwaltschaft stellte weder Fragen in diese Richtung, noch nahm sie Bezug darauf. Fest steht, dass er damit der einzige bisher bekannte Rechtsterrorist der Nachkriegsgeschichte ist, der eine Person jüdischen Glaubens in Frankfurt am Main ermordete. Aufgrund ihrer klar sichtbaren Häftlingsnummmer ist dies nicht ausszuschließen. Im Prozess spielten Fragen zu dieser möglichen rassistischen bzw. antisemitischen Motivationen für die Staatsanwaltschaft keine Rolle. Auch NSU-Watch Hessen konstatiert: „Die Anklage gegen den Tatverdächtigen John Ausonius lautet Mord aus Habgier. Für eine antisemitische Motivation des Mordes gab es bisher keine konkreten Hinweise, da nichts darauf hindeutete, dass der Mörder wusste, dass Frau Zmigrod Jüdin war. Sollte er jedoch die Möglichkeit gehabt haben, die KZ-Häftlingstätowierung auf Blanka Zmigrods Unterarm zu sehen, lässt sich ein antisemitisches Motiv nicht ausschließen, ebenso wenig wie ein rassistisches Motiv angesichts der rassistischen Beleidigungen gegenüber Blanka Zmigrod und ihrer Kollegin.“ ⁽²⁾
Blanka Zmigrod wurde 68 Jahre alt und überlebte während des Nationalsozialismus vier Konzentrationslager, darunter auch Auschwitz. Nach dessen Ende emigrierte sie nach Israel, kehrte jedoch nach einigen Jahren wieder nach Deutschland zurück und lebte zum Zeitpunkt ihrer Ermordung im Frankfurter Westend.
Damals wie heute gibt es zahlreiche antisemitische Anfeindungen, Übergriffe und Anschläge, wie den Bombenanschlag auf die Synagoge im Westend in der Nacht auf den 18. April 1988. Aber auch Schmierereien am Riedberg-Gymnasium (2016) oder am Mahnmal für die ermorderten europäischen Juden und Jüdinnen an der EZB (2017) und der Flaschenwurf durch ein Fenster in das Haus einer bekannten Frankfurter Jüdin (2014) stehen beispielhaft dafür, dass Antisemitismus weiterhin eine konstante Bedrohung des Lebens in Frankfurt darstellt. Ausonius wurde im Dezember 2016 nach Frankfurt ausgeliefert, um sich hier seit dem 13.12.2017 vor Gericht für den Mord zu verantworten. Am 21. Februar wurde Blankas Mörder nun endlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mord im Kettenhofweg entsprach dem Vorgehen seiner vorherigen Taten. Dabei verfolgte er das gleiche Ziel wie so viele Rechtsterroristen vor und nach ihm, nämlich durch rassistische Mordserien einen gewünschten „Rassenkrieg“ auszulösen, um ethnisch “reine” Nationalstaaten schaffen zu können. Für das Gericht spielten derlei Fragen allerdings in der Urteilsbegründung keine Rolle.
Damit unsere Mitbürgerin nicht in Vergessenheit gerät, fordern wir die Umbenennung des Kettenhofweges in Blanka-Zmigrod-Straße. Außerdem ist es an der Zeit, dass Blanka Zmigrod in die offizielle Opferstatistik der Bundesregierung rechter Gewalt aufgenommen wird! Zudem fordern wir einen Gedenkstätte für sie und alle weiteren Opfer rechter Gewalt.
Um nachdrücklich auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen, haben wir am Morgen des 1. März symbolisch den Kettenhofweg in Blanka-Zmigrod-Straße umbenannt.
Quellen
1./2. Bericht zum fünften Prozesstag gegen den “Laserman” von NSU-Watch Hessen